WAVE-GOTIK-TREFFEN 2015

Ein Reisebericht zum Wave-Gotik-Treffen 2015 in Leipzig

(Sämtliche unsere Fotos zum WGT sind auch in unserer Galerie zu finden.)

Der Einstieg ins 24. Wave-Gotik-Treffen in Leipzig war für einige Besucher abenteuerlicher als geplant. Aufgrund eines kurzfristig angekündigten Streiks bei der Deutschen Bahn vielen viele Züge aus und die schon länger durchgeplante Reise stand plötzlich auf der Kippe. Innerhalb kurzer Zeit mussten Ausweichmöglichkeiten wie Flugzeug oder Fernbus organisiert werden. Oder es wurden spontan noch Mitfahrgelegenheiten zusammengestellt mit Personen, welche sowieso mit dem Auto anreisen wollten.
All dies schien schlussendlich auch funktioniert zu haben. Bei der Ankunft am späten Donnerstag Nachmittag auf dem Agra-Gelände stiess man auf die gewohnte Anzahl Personen, welche bei der Bändchenabgabe Reihe standen. Und auch beim Bahnhof war die Schlange wie im Vorjahr so lange, dass sie kaum vollständig auf ein Foto zu kriegen war.

Als erster persönlicher Programmpunkt war diesmal Die Blaue Stunde vorgesehen. Es handelt sich hierbei nicht um einen offiziellen Bestandteil des WGTs. Die von DBS privat organisierten Anlässe werden jedoch öffentlich bekannt gegeben und sind für alle Interessierten besuchbar. Die Dunkelromantische Eröffnungstanznacht findet jeweils auf einer grossen Wiese hinter dem Agra-Gelände statt. Diese ist zwar auf Anhieb nicht so leicht zu finden, eine Wegbeschreibung steht aber auf der Website, und an Bäumen und Verkehrsschildern angebrachte Zettel helfen einem bei der Wegsuche. Die "Atmosphärische Veranstaltung für Träumer und Dunkelromantiker" (Zitat von der Website) ist eine wunderbare Einstimmung für die kommenden Tage. Wer lieber andere schwarze Klänge bevorzugt, kann aber zum Beispiel auch die ebenfalls jeweils am Donnerstag stattfindende EBM-Warm-up-Party in der Villa besuchen.

Freitag war offizieller Beginn des Festivals. Der Besuch des ersten Konzerts führte dieses Jahr in den Kohlrabizirkus zum Auftritt von Steinkind. Das Alternative-Electro-Rock-Duo stammt selbst aus Leipzig und kann somit am WGT jeweils quasi ein Heimkonzert spielen. Trotz optisch einfachen Outfits und nebst elektronischen auch rockigen Elementen in der Musik sind bei Steinkind stets auch immer eine Handvoll Cyber-Gothics anzutreffen. Dies und auch die recht gut gefüllte Location zeigten auf, dass die Band innerhalb der Szene mit ihrem ruppigen Mix diverser Stile eine breite Masse anzusprechen vermag.
Steinkind - Trink mich

Anschliessend ging es weiter zum Alten Landratsamt. Die aus Island stammende Band Sólstafir wurde schon im Vorfeld etwas als Geheimtipp gehandhabt. Auch am Morgen im Pressebüro hiess es, überraschend häufig von geplanten Besuchen dieses Konzerts gehört zu haben. Und so empfing einem das Alte Landratsamt entsprechend voll. Beim Betreten des Saals stieg die Temperatur von einem Schritt zum nächsten um gefühlte 5° C an. Eine ganz eigene Mischung aus melancholisch melodiösem, teils druckvollem Metal liess die Hitze aber schnell vergessen und in die Tiefen dieser Musik eintauchen.
Sólstafir - Lágnætti

Zum Abschluss des Abend ging es in die Moritzbastei. Dort liessen Oliver S. Tyr und Niel Mitra von Faun als DJs in einem der drei Floors den ganzen Abend folkige und mittelalterliche Musik erklingen. Eine in dieser Form auch am WGT seltene Möglichkeit, zu genau solcher Musik mehrere Stunden am Stück zu tanzen.

Seit wenigen Jahren befindet sich fix im Programm die WGT Musik Kammer. In der Alten Börse in der Innenstadt werden klassische Konzerte geboten und damit die einmalige kulturelle Vielfalt dieses Festivals untermauert. Dies war dann auch der erste Konzertbesuch am Samstag.

Weiter ging es zum Täubchenthal, welches seit letztem Jahr neu als Veranstaltungsort dabei ist. Als erstes fällt der grosse Innenhof auf, welcher reichlich Tische und Bänke, sowie weitere Sitzmöglichkeiten bietet. Drinnen kann man sich auf zwei Stockwerken bewegen. Im Erdgeschoss befinden sich zwei Bars sowie der Konzertraum. Auf diesen kann man auch gut herabblicken, wenn man sich zur Galerie eine Etage weiter oben begibt. Jenes Stockwerk bietet ebenfalls noch eine weitere Bar sowieso Sitzmöglichkeiten und einen Durchgang zum Balkon draussen, wo sich eine beschränkte Anzahl Liegestühle befinden. Insgesamt handelt es sich beim Täubchenthal um einen Ort, an dem man dank der vielfältigen Aufenthaltsbereiche gerne gemütlich einen ganzen Tag verbringen kann.

Aus zeitlichen Gründen reichte es aber nur für den Besuch eines einzelnen Konzertes im Täubchenthal, dem von Frank the Baptist. Die Deathrocker aus Kalifornien präsentierten bei ihrer dritten Teilnahme am WGT ihr neues, viertes Album.
Frank the Baptist - Scars forever

Danach führte der Weg wie schon Tags zuvor ins Alte Landratsamt. Sol Invictus waren die wahrscheinlich bekannteste Neofolk-Band im diesjährigen Programm. Diese spielten hinsichtlich ihrer Liederwahl kein konventionelles Konzert, sondern ausschliesslich ihr Album "In the Rain", welches vor genau 20 Jahren erschienen war.
Sol Invictus - In The Rain

Als abschliessende Party dieses Tages ging es zum Stadtbad, welches neu der Veranstaltungsort für die Dunkelromantischen Tänze und den Göttertanz ist. Die neue Location fiel als erstes durch die Grösse auf. War es in den letzten Jahren im Städtischen Kaufhaus oft sehr eng geworden auf der Tanzfläche, bestand dieses Problem nun nicht mehr in diesem Ausmasse. Was leider fehlten, waren die Sitzmöglichkeiten und Ausweichzonen auf Galerie und Zwischenetagen, derer es am alten Ort bedeutend mehr gab. So fühlte sich das Stadtbad im Endeffekt trotz grösserer Räumlichkeit zeitweise ähnlich voll an wie das Städtische Kaufhaus in den Vorjahren.
Etwas negativ hervorzuheben ist leider der Teppichboden, welcher aufgrund seiner hohen Haftung zum tanzen nicht sonderlich ideal geeignet ist. Nichtsdestotrotz waren die drei Abende im Stadtbad sehr gut besucht.

Der Sonntag begann mit einem persönlichen Highlight - dem Konzert von Goehtes Erben in der Agra. Auch wenn Oswald Henke in vergangenen Jahren mit anderen Projekten wie zum Beispiel Fetisch:Mensch oder Henke aktiv war, so schwebte über alle dem immer der Mythos von Goethes Erben. Die Energie, mit welcher Oswald die Texte vortrug, bewies, wie sehr diese Musik nach all den Jahren noch immer lebte. Und als Beweis, dass sich dies zukünftig auch nicht so schnell ändern wird, wurde das Publikum mit dem ersten neuen Stück seit langer Zeit beschenkt. Somit wurden hier nicht nur alte Lieder vorgetragen, sondern auch Neugierde geweckt, was vielleicht schon bald Neues veröffentlicht werden wird.
Goethes Erben - Sitz der Gnade

Im Kohlrabizirkus war der Sonntag der Abend elektronischer Melodien. Nach dem Wechsel von der Agra verblieben hier noch drei Konzerte auf dem Programm.
Mit Beborn Beton stand eine Formation auf der Bühne, welche schon in den frühen 90er mit ihrem Synth-Pop erste Erfolge erzielten, seit 2002 aber kein neues Album mehr veröffentlichte. Dem entsprechend stiller war es um diese Band geworden. Zum einen genau dies und zum anderen die Ankündigung von Stücken eines neuen Albums waren gute Gründe, genau jetzt die Gelegenheit zu nutzen, um sich den ersten Live-Auftritt auf deutschem Boden seit 9 Jahren anzuhören.
Beborn Beton - The Colour of Love

Danach folgten Vive la Fête, welche ihre Erfolge auch schon ausserhalb der Schwarzen Szene verbuchen konnten. Mit ihrem avantgardistischen Electro-Pop, der einen Hauch französischer Chanson enthält, finden sie in allen Spektren der elektronischen Musik ihre Fans.
Vive la Fête - Nuit Blanche

Der Abschluss des Abends gehörte Kirlian Camera. Diese spielten an diesem WGT gleich zwei Konzerte. Beim ersten am Freitag im Volkspalast standen vor allem alte Lieder auf dem Programm. Beim hiesigen Konzert ging es dann um die neuen Stücke. Ein Konzept, das bei einer Band, welche schon seit den 80er-Jahren pausenlos aktiv ist, durchaus Sinn ergibt. Und dem Publikum nach hätte es durchaus auch noch ein drittes Konzert geben dürfen. Zwei Zugabenblöcke durften Kirlian Camera spielen, bevor für diesen Abend definitiv Schluss im Kohlrabizirkus war.
Kirlian Camera - Nightglory

Der Montag begann mit dem Besuch des Konzerts von Meystersinger in der Sixtina Absintherie. Bei der Sixtina handelt es ich um eine Bar mit Kellerräumen und Innenhof. Dies ermöglicht, teils etwas grössere Veranstaltungen durchzuführen, die in einer Bar selbst nicht möglich wären. Der Innenhof ist gross genug, um eine Bühne sowie eine gute Anzahl Sitzmöglichkeiten und ein paar kleine Stände aufzustellen. Die Kellerräume bieten die Möglichkeit für kleinere Konzerte oder Lesungen.
Das Konzert von Meystersinger fand im Hauptraum der Bar selbst statt. Der Andrang beim Duo von Luci van Org und Roman Shamov war aber so gross, dass sämtliche Sitzplätze besetzt waren, die Besucher teilweise zwischen den Tischen standen und auch sonst kaum noch ein freies Plätzchen zu finden war. Vielleicht wäre die Bühne im Innenhof die bessere Wahl gewesen. Der Begeisterung des Publikums tat dies aber nichts ab. Die mit einfacher elektronischer Musik untermalten Lieder, welche vor allem durch ihre kreativen Texte leben, kamen bestens an und kaum einer verliess frühzeitig den Raum.
Meystersinger - Selbst alleine

Der Abend des letzten Tages am WGT führte ins Heidnische Dorf. Für das dortige Konzert von Haggard hatte sich schon Menschenmenge versammelt, die über die Wiese vor der Bühne hinausreichte und sich zwischen Verkaufs- und Essensständen zu verzweigen begann. Von dem zu diesem Zeitpunkt kurz einsetzenden Regen liess sich niemand vertreiben. Das Wetter war das ganze WGT über trotz teilweise unklarer Prognose trocken geblieben. Da wollte sich nun niemand wegen ein paar Regentropfen die Stimmung vermiesen lassen.
Haggard - Awaking The Centuries

Den krönenden Abschluss machten Mila Mar, welche nach 11 Jahren Pause zum ersten mal wieder ein Konzert spielten. Der Auftritt wirkte so perfekt, als hätte es diesen langen Unterbruch nie gegeben. Mit elfenhaftem Gesang schwebte Sängerin Anke barfüssig zur tiefgründig verträumten Musik über die Bühne. Selten passte der Begriff des verzauberten Publikums so gut wie hier.
Mila Mar - Nova

Die letzte Party führte dann zur "Romantischen Tanznacht zum WGT-Abschluss“, organisiert von Die Blaue Stunde. Diese Veranstaltung fand aber nicht mehr auf der Wiese statt wie die Eröffnungstanznacht am Donnerstag, sondern in einem privaten Haus unweit des Agra-Geländes. Eine Vielzahl Grablichter und eine brennende Tonne im Garten als einzige Lichtquellen erschufen ein dem Motto entsprechendes Ambiente. Im familiären Rahmen wurde bei Gesprächen, Schlemmereien am Buffet und Musik im kleinen Tanzzimmer Abschied genommen.

So endete dann das diesjährige Wave-Gotik-Treffen. Wie jedes Jahr wurde am Dienstag glücklich und beseelt, aber auch immer ein bisschen Wehmütig die Heimreise angetreten. Ein schlechtes WGT habe ich noch nie erlebt. Die Besucherzahl lag diesmal bei 21'000 und bewegte sich damit auf dem Niveau des Vorjahres.
Abschliessend sei noch ein kleines Lob an die Verpflegungsmöglichkeiten gerichtet. Wie sich kaum verkennen lässt, hat in den letzten Jahren das Bedürfnis an bewusster Ernährung an Bedeutung gewonnen - auch innerhalb der Schwarzen Szene. So ist es umso erfreulicher, dass einem der Besuch des WGTs hier vor keine grossen Schwierigkeiten stellt. Die Essensstände sind nicht nur vielfältig, auch das Angebot an vegetarischer und veganer Verpflegung ist gut abgedeckt. Wer eine pflanzliche Ernährung vorzieht, hatte zumindest an Orten wie dem Agra-Gelände, der Motizbastei und dem Stadtbad keine Probleme, was passendes zu finden.
Somit bleibt einem nebst vielen schönen Erinnerungen auch die Vorfreude auf das nächste Jahr. Dann wird das Wave-Gotik-Treffen nämlich ein Viertel Jahrhundert alt.

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